24. Februar 2014

Ich weiß, was ich gestern getan habe

Es ist Samstag 9 Uhr 12 in Deutschland. Kein Knoppers (ist ja noch nicht halb 10), aber ein Milchkaffee to go, etwas Sonnenschein und noch reichlich Platz im Großraumwagen dieses Regionalzuges lassen mich dem Tag froh gestimmt entgegen sehen. Meine ohnehin gute Laune verbessert sich aufgrund des Buches "Für Eile fehlt mir die Zeit" enorm. Auch das dauernde auf-und-ab-Wippeln des asiatischen Knies mir gegenüber kann ich ertragen, obwohl es mich durchaus von meiner Lektüre ablenkt.

Ich schaue dem Chinesen ins Gesicht. Er telefoniert. Ich verstehe kein Wort. Das Gespräch führt er nicht gerade leise, was besonders nervig ist, weil ich nicht verstehe, was der Mann sagt. Ich vermute „Okay, Hu, es bleibt dabei. Wenn Xian das Schutzgeld nicht zahlt, schneiden wir ihm noch einen Finger ab. Und seiner Frau ein Ohr!". Oder so ähnlich. Auf mein Buch kann ich mich gar nicht konzentrieren. Da trifft es sich gut, dass ich sowieso auf die Toilette muss. Bis Hamm (Westf) macht meine Blase das auf keinen Fall mit. Vor dem Zugklo stehen ein Mann und zwei ältere Damen mit leicht verzweifeltem Blick. Offenbar ist das Klo schon seit längerer Zeit besetzt und die Toiletten in den Nachbarwagons, wie ich von der frisch ondulierten Dame vor mir erfahre, defekt. Hurra.

Dem Mann, der als erster in der kleinen Schlange wartet, wird es nun zu bunt. Den Druck, den er auf der Blase verspürt, gibt er direkt an seine Faust weiter, die nun ungeduldig an die Toilettentür hämmert. „Hey, wie lange dauert es denn noch?" Keine Reaktion. Er hämmert lauter. „Aufmachen! Hier warten noch ein paar andere Leute!" Die Tür öffnet sich. Eine schläfrige Stimme mit afrikanischem Akzent ertönt: „Was is´los, Mann?" „Mensch, beeil dich mal, wie lange dauert das denn noch?" Mir stehen inzwischen wirklich die Schweißtropfen auf der Stirn, die Omis vor mir sehen aus, als würden sie gleich losheulen. Die afrikanische Stimme ruft fröhlich durch die geöffnete Tür „Ich mach´ Kacka."

Der Mann, der geklopft hat, dreht sich zu uns um und meint, dass es wohl noch eine Weile dauern könnte, der Typ „da drin" sei total besoffen. Er verdreht die Augen. Die Damen müssen zurück in ihr Abteil „Wir müssen ja gleich aussteigen!" Der Mann, der „Kacka" macht, lässt vorsichtshalber die Klotür offen stehen. Also, da kann ich im Moment auf meine Blase keine Rücksicht nehmen, ich glaube, ich muss gar nicht mehr. Ich setze mich zurück an meinen Platz und versuche zu lesen. Klappt gar nicht wegen Wippel-Chan und den lauthalsen Handyanweisungen in seiner Landessprache.

Und ich? Ich finde es einfach schade, dass die Olympischen Spiele nicht in Hamm (Westf) stattfindet. Mein Sprint vom Gleis 6 zum Bahnhofsklo war auf jeden Fall rekordverdächtig.