14. März 2014

Neulich im Wellness-Hotel




Im letzten Frühjahr brauchte ich dringend ein paar Tage Urlaub, nur für mich. Zufällig flatterte das Angebot eines Wellness-Hotels auf meinen Schreibtisch und - schwupps - saß ich im Zug nach Travemünde.

Vom Ambiente meines Kurzurlaub-Domizils ganz begeistert, begutachtete ich den Wellness-Bereich und meldete mich direkt zur Teilkörpermassage an. Nur, dass Sie es wissen: Ich bin in der Vergangenheit häufiger massiert worden. Nachdem ich im Osmanischen Bad 20 Minuten vor mich hingedampft hatte, begab ich mich in die Abteilung Beauty & Massage. Hach, herrlich, allein der Wartebereich. Teakholzfußboden, Korbmöbel, Trennwände aus hellen Stoffen, frisches Obst und Wasser, es roch lecker nach Zitrusfrüchten und im Hintergrund lief leise Chillout-Musik, ein asiatischer Klingklang. Außerdem lagen Zeitschriften zum Thema "Fit, jung, aktiv und schön - Was Sie alles falsch machen" aus, die bei mir sofort ein schlechtes Gewissen verursachten.

Dann wurde ich von meiner Masseurin, einer jungen Dame mit fülligem Körper, sehr hübschem Gesicht und ostdeutschem Akzent in den Behandlungsraum geführt. Dort machte ich mich frei und es mir auf einer Liege bequem. Ich schloß die Augen, atmete das Zitrus- aroma ein und erwartete das Übliche: Eine sanfte Stimme, die mir erklärt, was die Hände nun mit mir machen werden und die mich fragt, ob meine Verspannungen im Nacken- bereich von einem Bürojob herrühren (ja, doch!). Eine kleine Plauderei, am besten gar nichts reden, so hab ich es beim Massieren (und beim Taxifahren) am liebsten. Ich fragte die junge Frau, wo sie denn ursprünglich herkäme und wie es sie nach Travemünde ver- schlagen habe. Ja, da hatte ich aber einen verhängnisvollen Fehler begangen.

Es folgte ein Bericht über Omis Urlaube in Travemünde, über sämtliche Bewerbungs-schreiben und -gespräche und schließlich landeten wir beim Thema "Essen". Die Dame aus der Nähe von Erfurt stritt regelmäßig mit einem Metzger aus Travemünde, was "äschte Düringer Würschtschen" seien. Somit war sie beim Thema "Fleisch" angelangt, was offenbar eines Ihrer Lieblingsthemen zu sein schien. Während sie mein Fleisch - zugegeben profes- sionell - durchknetete, redete sie davon, was sie sich von ihren Eltern zum Essen wünscht, wenn sie mal frei hat und in die Heimat fährt. Schweinebraten mit Kräuterkruste, Rotkohl und Thüringer Klößen mit leckerer brauner Soße. Oder eben Thüringer Würstchen, echte natürlich, mit Kraut und Kartoffelpüree.

Ich konnte irgendwie gar nicht mehr abschalten, vor lauter Braten- und Würstchengerede nichts mehr vom asiatischen Klingklang verstehen. Und mischte sich in das Zitrusaroma nicht auch der Duft gebratenen Fleisches? Mensch, ich bekam Hunger, von wegen "Fit, jung, aktiv und schön"! Jetzt erklärte mir die Erfurterin gerade, warum so viel Fleisch Bestandteil ihrer Ernährungspyramide war: "Muddi orbeidet in einem Schwoinemastbedrieb, da grieg´n mir das Fleisch billiger." Ah ja.

Trotz allem war ich nach der Massage erstaunlich entspannt.
Insofern kann ich Ihnen doch empfehlen, sich in die Hände dieser Masseurin zu begeben.

Es sei denn, Sie sind Vegetarier.